Das Mondtuch
Märchenträume mit Musik
Michel träumt. Ein eigenbrötlerischer Bauernsohn, den alle den „Träumel“ nennen und der sich nach Feierabend in die Natur zurückzieht. Und wie klingt so ein Traum? Sanft, in feinen Holzbläserfarben, wie eine Fuge, die so gar nicht akademisch wirkt. Es ist eine Bearbeitung des zweiten Satzes aus Maurice Ravels „Tombeau de Couperin“ für Bläserquintett. In der schönen CD-Edition See-Igel, die zumeist klassische Kammermusik mit Märchenerzählungen kombiniert, liest diesmal der allseits gerühmte Christian Brückner „Das Mondtuch“ nach einem Märchen von Richard von Volkmann-Leander. Mit der deutschen Stimme von Hollywood-Stars wie Robert De Niro werden Berge und Fluss, Nebel, Wald und Sternenhimmel akustisch lebendig. Im Märchen sind das die Wunder der Natur, die die Dorfbewohner gar nicht mehr würdigen, denn: „Vom Träumen wird kein Acker größer und kein Viehstall voller“, wissen sie. So dezent wie virtuos schmücken die fünf Musiker des Quintette Aquilon auch den zweiten Traum des Träumers Michel aus – mit dem Prélude aus Ravels wunderschöner Komposition. Die muntere Forlane illustriert das Vögelchen-Geschwätz, auf Traumkobolde folgt der Schlusssatz „Rigaudon“, und wenn am Ende das wunderschöne Mädchen wiederkehrt, wird es Zeit für das sanfte Menuett. Gewiss, der Text ist nicht berstend vor Spannung – aber wie Brückner die Stimmungen zum Leben erweckt und wie die Musiker sie ausmalen, das ist schon hörenswert. Beileibe nicht nur für Kinder.
Harald Suerland
Westfälische Nachrichten Dienstag 3.April 2012